Mikronährstoffe ein „kleiner“ Baustein zur Standfestigkeit und für den Ertrag im Getreide
Bei der Verwendung von Mikronährstoffen sollte ähnlich wie bei Wachstumsreglern oder Fungiziden im Frühjahr, die Maßnahme situativ an den Bestand und die Kultur angepasst werden.
Warum ist die Witterung des Jahres 22/23 für die Bestandesführung so wichtig?
Für das Jahr 2023 ergeben sich zwei Besonderheiten, die in Kombination so in den letzten Jahren nicht flächendeckend vorzufinden waren. Zum einen sind die Bestände, durch die überdurchschnittliche Boden- und Lufttemperatur im September und Oktober stark bzw. überentwickelt in die kurze Vegetationsruhe gegangen. Zum anderen ist auch die generative Entwicklung bedingt durch höhere Globalstrahlung und frühen Vegetationsstart weiter vorangeschritten, als für die Jahre zu diesem Zeitpunkt üblich. Das Winterweizen Anfang März das BBCH 30 erreicht hat oder Wintertriticale sich schon dem BBCH-Stadium 31 nähert, ist sehr untypisch. Verglichen mit dem Jahr 2022, in dem Winterweizen ca. 7-10 Tage früher als ortüblich, das entscheidende BBCH Stadium 32 erreicht hat. Werden voraussichtlich auch im Jahr 2023 die Getreidebestände deutlich früher das BBCH 32 erreichen. Wenngleich aufgrund der noch nicht ausreichenden Tageslänge die Bestände länger in BBCH 30-31 verharren werden.
Für die Bestandesführung sind das insofern wichtige Parameter, da die generative Entwicklung Einfluss auf die Bestandesdichte hat. Wird das Stadium 30-31 beim Hauptrieb erreicht, kommen in der Regel (gilt nicht für mechanisch herbeigeführten Zwiewuchs) keine weiteren Seitentriebe(egal ob primär, sekundär oder tertiäre) hinzu und die Bestände regulieren an Hand von Nährstoffen und Wasserverfügbarkeit die Triebzahl. Wenn die Bestandesdichte wie in diesem Jahr stellenweise sehr hoch ist (Gersten/Weizen mit 5-8 Seitentrieben x 250-330 Pflanzen pro Quadratmeter) und 1500 bis 3000 Triebe pro Quadratmeter vorzufinden sind, ist das Lagerrisiko deutlich höher. Zumal die Reduktionsfähigkeit der Pflanze, durch die Triebdifferenzierung stark eingeschränkt ist. Das heißt: Ein üppig entwickelter Bestand hat in der Regel zwei bis vier (oder mehr) stark entwickelte Seitentriebe mit Kronwurzel, welche nur unter extremen Umständen verworfen werden. Darüber hinaus noch jeweils ein bis zwei schwach und mittel entwickelte Triebe, die potentiell reduziert werden können. Tritt jetzt ein noch früherer Schossstart als in den vergangenen Jahren ein, führt das aufgrund von noch verfügbarem Bodenwasser zu Beginn des Schossens zu einer teils deutlich erhöhten Bestandesdichte.
Neben dem Wachstumsregler sollten deswegen alle Getreide stabilisierenden Maßnahmen ergriffen werden. Mikronährstoffe stellen hierbei in doppelter Hinsicht einen Baustein dar. Zum einen sind sie essentiell für den Ertrag und können bei Akutem Mangel der ertragslimitierende Faktor sein. Zum anderen haben Mangan (Kohlenhydrat- und Photosynthese-Stoffwechsel), Bor (Zellwandaufbau, KH-Bildung) und Kupfer (Zellwandaufbau- Verholzung) Einfluss auf die Zellstabilität und damit auch auf die Lageranfälligkeit im Getreide.
| Bor | CU | MN | ZN | Phosphor |
BBCH 21-29 | Zellwandaufbau KH-Bildung | Zellwandaufbau Enzym Aktivator | KH-Bildung Energiehaushalt | Aktivator Phosphatase etc. | Energiehaushalt
Zellmembran |
BBCH 31-39 | Blütenansatz Pollenfertilität | Befruchtung Pollenfertilität Proteinsynthese | Proteinstoffwechsel Auxinhaushalt | Auxinhaushalt Proteinstoffwechsel | Stoffwechsel Eiweiß-, KH-synthese |
Problem bei | Leichte Böden Sehr hohe PH-Wert Trockenheit | Hoher Humusgehalt Grünland/ehm. Grünland | Sandböden Hoher Ph-Wert Überlockert Trockenheit | Hoher PH-Wert Kalkböden Hohe P-Gehalte | Trockenheit Kälte Überlockert Niedriger PH-Wert Hoher FE-Gehalt Grobe Schollen |
Tab: Einfluss und Verfügbarkeitsprobleme von Mikronährstoffen in der Pflanze
Bor nimmt dabei eine Sonderstellung im Getreide ein, da es sowohl für die spätere Blüte und Befruchtung essentiell ist, als auch für den Kohlenhydratstoffwechsel und die Gewebeausbildung eine Rolle spielt. Darüber hinaus ist Bor maßgeblich an der Zellausdifferenzierung beteiligt und wird so über die gesamte Wachstumsphase benötigt. Da Bor in der Pflanze bei einer Blattdüngung nur spärlich verlagert wird, macht es Sinn, mehrere kleinere Düngungsmaßnahmen über die Vegetationsperiode hinweg durchzuführen. Anderes als im Raps aber in erheblich geringeren Mengen. Zu BBCH 29-32 und BBCH 39-49 sind 50g Bor in Chealtform für das Getreide zielführend. Werden Mikronährstoffe mit Pflanzenschutzmaßnahmen ausgebracht, sollten immer die Mischbarkeit und die Auswirkungen auf die Spritzbrühe bedacht werden. Bor hebt den Wasser-pH-Wert der Spritzbrühe an und kann so die Wirksamkeit von z.B. Pyrethroide (Insektiziden) beeinträchtigen.
Mangan kann als Blattdüngung, ab Mitte der Bestockung (BBCH 25 bis 32) vor allem unter Trockenheit zur Erhöhung der Kohlenhydratkonzentration und zur Förderung des Energiehaushaltes führen. Mit 150g Mn als Chelat oder der dreifachen Menge als Sulfat kann es bei PSM-Applikationen ergänzend ausgebracht werden. Manganmangel ist am deutlichsten durch die dunklen Streifen (stärkere Verdichtung) vielerorts zu erkennen.(Bild und 3) Dort wo helle Streifen sind, kommt es durch die mangelnde Rückverfestigung zur Ausfällung durch Oxidation und zu einer geringeren Mn-Verfügbarkeit. Falls Kupfermangel auftritt, sollte dieser min. einmal in kleinen Mengen 30g CU in Chelatform über die Saison ergänzt werden.
Kann die Frostgare negativ sein?
Die gute Bodengare bedingt durch die lang anhalte Trockenheit letztes Jahr und die Wechsel-Fröste im Jahr 2023 führen zu unterschiedlichen Resultaten. Positiv ist die Bodendurchlüftung und Bodenstruktur zu nennen, die eine einfachere Bewurzelung für die Pflanzen ermöglicht. Negativ wirkt sich jedoch der puffige/lockere Boden hinsichtlich der Nährstoffverfügbarkeit aus. Deshalb sollte hinsichtlich immobiler Nährstoffe, wie Phosphor und Mangan, die im schwächer rückverfestigten Boden schlechter verfügbar sind, eine Blattdüngung durchgeführt werden. Als „Feuerwehrmaßnahme“können z.B. 2kg P2O5 über das Blatt mit 150g-200g Mn solo oder bei Maßnahmen ums Schossstadium appliziert werden. (Mischungen aus Phosphor und Mangansulfat machen Probleme, wenn auf Mangannitrat ausweichen)
Besonderheiten:
Salze sollten bei strahlungsreichem Wetter nicht verwendet werden,da die Gefahr von Blatt/Ährenverbrennungen besteht. Ab BBCH 32 sollten Nährstoffe bevorzugt in Chelat- oder Suspensionsform appliziert werden. Immer wenn Kupfer verwendet wird, darf das Rührwerk nicht ausgeschaltet werden, da es sonst zu Ablagerungen kommen kann. Nach Applikation Spritze gut reinigen und Filter säubern. Testen sie bei nicht fertig formulierten Produkten unbedingt vorher die Mischbarkeit. Vor allem wenn Mikroorganismen (Stickstofffixierung etc. ) verwendet werden ist bei der Verwendung von Kupferpräparaten durch die fungistatische Wirkung mit Vorsicht zu verfahren.
Andreas Hommertgen DLR RNH