Getreide – Lagerneigung sehr unterschiedlich
Wichtige Informationen aus dem Rems-Murr-Kreis vom 08.04.2022
Heute gibt die renommierte, amtliche Pflanzenschützerin A. Bäuerle für den Rems-Murr-Kreis zielführende Antworten ob der Einsatz von Wachstumsreglern tatsächlich notwendig ist oder ob u.U. darauf verzichtet werden kann. Hier ihre pragmatischen Tipps zur Beantwortung der viel diskutierten Frage: Wachstumsreglereinsatz – ja/nein?
Getreide – Allgemein: Aufgrund der schwierigen Witterung (Trockenheit, Nachtfröste, Schnee) der letzten Wochen wurde manche Beikrautbekämpfung geschoben. Mit dem Regen und den zu erwartenden steigenden Temperaturen hat sich die Situation merklich entspannt. Bestände auf die tatsächliche Bekämpfungsnotnotwendigkeit hin überprüfen und ggf. Maßnahmen zeitnah abschließen.
Getreide – Wachstumsreglereinsatz – ja/nein? Bei der Entscheidung, ob ein Wachstumsregler eingesetzt werden soll oder nicht, ist Vorsicht geboten. Folgende Punkte müssen in die Überlegungen einbezogen werden. Bei trockener Witterung, hohen Temperaturen, starken Temperaturschwankungen und starker Sonneneinstrahlung kann auf einen Einsatz verzichtet werden. Ebenso bei Standorten mit einem geringen Stickstoff-nachlieferungspotential. Zudem spielen die Standfestigkeit der Sorte, die Aussaatstärke und die Bestandsdichte eine Rolle. Sind die Bestände durch Frost, Hitze oder Wassermangel gestresst kann der Einsatz von Wachstumsreglern zudem kontraproduktiv sein und zu einer Ertragsdepression führen.
Die Lagerneigung der Getreidearten ist sehr unterschiedlich. In der Reihenfolge Winterweizen / Triticale / Wintergerste / Winterroggen steigt die Notwendigkeit einer möglichen Wachstumsreglermaßnahme.
Ein früher Einsatz von Wachstumsreglern kann bei geringer Pflanzdichte angedacht werden. Chlormequat-Mittel hemmen die für das Längenwachstum verantwortlichen Pflanzenhormone (Gibbereline), verstärken die Halmwand und fördern die Nebentriebbildung. Die Bestände erhalten ein einheitliches Aussehen. Die Temperaturansprüche sind bei diesen Mitteln etwas geringer als bei anderen Wirkstoffen, bei Sonnenschein mind. 7°C und bei bedecktem Himmel 10°C.
Praxistipps: Bei wüchsigen, üppigen, lagergefährdeten Beständen und bei hoher bzw. schlecht kalkulierbarer Stickstoffnachlieferung könnte mit Wachstumsregler behandelt werden. Einsatzzeitpunkt ist die frühe Schossphase, d.h. wenn sich der zweite Knoten vom ersten abhebt. Geeignet sind dann Trinexapac-Mittel, wie Calma, Countdown NT, Moddevo, Moddus, Moxa, u.a. Sie hemmen die Pflanzenhormone später, verkürzen die Abschnitte zwischen den Knoten, die sich gerade im Wachstum befinden, verstärken die Wand des Getreidehalms und verbessern die Wurzelbildung. Sie wirken gleichmäßig auf Haupt- und Nebentriebe. Bestände sehen damit ungleichmäßig, fast wie unbehandelt aus. Sonniges Wetter und Temperaturen von mind. 12°C sind für eine gute Wirkung erforderlich. Moddevo wirkt auch bei tieferen Temperaturen und eignet sich für den früheren Einsatz (ab BBCH 25 (Gerste BBCH 29) bis 31/32). Der frühe Einsatz verkürzt die untersten Stängelabschnitte.
Eingesetzt werden können auch Prohexadion-Mittel, wie Prodax, Medax Top, Fabulis OD. Der Wirkstoff Prohexadion-Calcium in Fabulis OD wirkt ähnlich wie ein Trinexapac-Mittel. Medax Top enthält zwei Wirkstoffe. Mepiquat-Chlorid wirkt früh auf die Pflanzenhormone, verkürzt die Länge und verstärkt die Wand des Halms. Der Haupttrieb wird gehemmt, die Nebentriebe gefördert. Der zweite Wirkstoff Prohexadion-Calcium wirkt wie bei Fabulis OD etwas später. In Prodax sind die Wirkstoffe Prohexadion-Calcium und Trinexapac kombiniert. Die Wirkstoffe verkürzen über einen längeren Zeitraum den Halm und erhöhen die Dicke der Halmwand. Es hat ein breites Anwendungsfenster.
Ethephon-Mittel, wie Camposan Extra, Karolus WR, Cerone 660, Orlicht Plus oder Vitoval wirken über das Pflanzenhormon Ethylen. Die Temperaturansprüche liegen bei mind. 14°C und wüchsigem Wetter. Sie verkürzen die Halmlänge, die Halmwand wird nicht beeinflusst. Ethephon hat positive Auswirkungen auf das Ährenknicken der Gerste.
Wissenswertes: Die Notwendigkeit eines Wachstumsreglereinsatzes will sorgfältig abgewogen werden. Ein frühzeitiger Wachstumsreglereinsatz bewirkt eine gute Standfestigkeit. Wird er zu spät eingesetzt, wird nur der obere Teil des Halms verkürzt. Die Getreidepflanzen sind dann anfälliger gegenüber Krankheiten, da die Ähre schlecht abtrocknet. Bei Tankmischungen mit Azol-Fungiziden ist die Aufwandmenge zu reduzieren. Grundsätzlich ist bei der Kombination mit anderen Pflanzenschutzmitteln auf die Verträglichkeit zu achten. Herstellerhinweise sind zu beachten. Kein Einsatz bei Nachtfrostgefahr!
Praxistipp: Jedes Jahr bietet der Wachstumsreglereinsatz großen Diskussionsbedarf. Welches Mittel, wieviel an Aufwandmenge, richtiger Zeitpunkt uvm.. Um dieser Zitterpartie aus dem Weg zu gehen, kann es hilfreich sein sich im Vorfeld nochmals die Maßnahmen des Integrierten Pflanzenbaus vor Augen zu führen und so ggf. den Wachstumsreglereinsatz fast problemlos bis auf Null zu setzen: Fruchtfolge, Auswahl standfester Sorten, bedarfsorientierte N-Düngung sind nur einige Punkte, die hier zu nennen sind.
Hinweis: Die Broschüre „Integrierter Pflanzenschutz 2022“ gibt auf S. 46/47 Hinweise zu Einsatzzeitpunkt und Aufwandmengen von Wachstumsreglern.