Ackerbau – Brennpunkt Stolbur und SBR
Wichtige Informationen vom Regierungspräsidium Stuttgart vom 27.02.2025
Der Pflanzenschutztag am 20. Februar in Ilsfeld war mit geschätzt 300 bis 400 Personen überdurchschnittlich gut besucht. Nach Grußworten von Bürgermeister B. Bordon und S. Kerner, dem Kreisvorsitzenden des Bauernverbandes Heilbronn-Ludwigsburg, eröffnete Dr. K. Rühl, Abteilungsleiter im Stuttgarter Landwirtschaftsministerium den Pflanzenschutztag. Dr. Rühl hob hervor, dass in einen Beschluss der Amtschefkonferenz vom Januar 2025, der Bund gebeten wird, „bereits für die Saison 2025 die Zulassung wirksamer Pflanzenschutzmittel, auch mit Hilfe des Instrumentes der sogenannten ‚Notfallzulassung‘, übergangsweise sicherzustellen und die Rahmenbedingungen für die Entwicklung und reguläre Zulassung ausreichend wirksamer Pflanzenschutzmittel zu verbessern.“
Anschließend führten S. Wild (Wild GmbH – Eppingen) sowie V. Nübel (Südzucker) aus, welche Auswirkungen die massiven Schäden durch Stolbur und SBR auf die ausreichende Verfügbarkeit und Verarbeitungsfähigkeit von Kartoffeln bzw. Zuckerrüben haben. Bei Kartoffeln ist die Verfügbarkeit insbesondere bei regionalen Spätkartoffel schwierig. Zudem kommt es durch die Reduktion Trockensubstanz („Gummiknollen“) bzw. des Stärkegehalts zu Lagerschwierigkeiten und einem minderwertigen Geschmack. Im Rübenbereich führen die niedrigeren Erträge zu höheren Kosten in der Logistik, da mehr Rüben von weiter entfernten Anbaugebieten nach Offenau gefahren werden müssen. Zusätzlich wird die Verarbeitung deutlich energieintensiver und auch teurer, da bei den Gummirüben Wasser zugegeben werden muss und mehr Energie benötigt wird, um den Zucker in der notwendigen Qualität auszukristallisieren.
Neben der direkten Bekämpfung der Zikaden und deren Nymphen durch Insektizide, wir auch immer wieder Verzicht auf Winterkulturen und frühe Sommerkulturen nach Rüben und Kartoffel diskutiert, um die Nymphen durch eine lange Schwarzbrache bis in den April verhungern zu lassen. Herr Scheider von der Schweizerischen Fachstelle für Zuckerrüben stellt das Fruchtfolgeprojekt „Chablais“ vor. In diesem Gebiet tritt bisher nur SBR auf, Stolbur noch nicht. Bei den Landwirten besteht eine sehr große Unterstützung des Projektes. Im Rahmen des Projektes wird in einem räumlich von Bergen abgeschirmten Tal am Genfer See bereits seit mehreren Jahren auf Wintergetreide nach Zuckerrüben verzichtet und vorzugsweise eine späte Sommerung angebaut. Die Erfolge sind gegeben, die Rübenbestände im Chablais bleiben länger grün und im Jahr 2024 gab es auch Verbesserungen beim Zuckergehalt. In anderen größeren Anbaugebieten der Schweiz, die nicht räumlich abgeschirmt sind, gibt es bei den Landwirten bislang keine ausreichende Bereitschaft die Fruchtfolge umzustellen. Inwieweit die Ergebnisse auf Baden-Württemberg mit anderen geografischen Gegebenheiten und Stolbur als zusätzlicher und deutlich schlimmeren Krankheit, übertragen werden können, muss weiter in den beiden Modelregionen Leintal und Strohgäu untersucht werden.
Auch in dem Vortrag aus Österreich von Frau Dr. Seiter wurde deutlich, dass das Krankheitsgeschehen und die Infektionen in Österreich bislang deutlich anders sind als in Baden-Württemberg. Als Überträger von Stolbur ist hier besonders die Pfriemen-Glasflügelzikade von Bedeutung, wohin gegen in Baden-Württemberg der Schilf-Glasflügelzikade die Hauptverantwortung für die Infektionen zugeschrieben wird.
Im Gemüsebau wurden die Erreger von Stolbur und SBR an vielen Arten nachgewiesen, jedoch nicht in jedem Fall Nymphen der Zikade an den Wurzeln. Zusätzlich war nicht in bei allen Nachweisen klar, ob Stolbur oder SBR ursächlich für die Schadsymptome sind. Frau Böhringer vom Beratungsdienst für integrierten Gemüsebau Heilbronn e.V. stellte vor, dass an Roter Bete, Möhren, Pastinake/Wurzelpetersilie sich Nymphen der Zikade entwickeln können und die Schäden eindeutig auf die Erreger von Stolbur und/oder SBR zurückzuführen sind. Bei Knollensellerie, Paprika und Physalis sind ebenfalls die Erreger von Stolbur und/oder SBR ursächlich, jedoch wurde kein Nachweis gefunden, dass sich die Nymphen der Zikade daran entwickeln können. In Rhabarber, Weiß-/Rotkohl, Chinakohl und Zwiebel wurde zwar auch die Erreger von Stolbur und/oder SBR nachgewiesen, jedoch ist unklar, wodurch die beobachteten Schadsymptome entstanden sind.
Zu Kartoffel und Zuckerrüben berichten Herr Mitschke bzw. Frau Himmel und zeigten mögliche Lösungsansätze auf, die neben kurzfristig benötigen Insektiziden auch pflanzenbauliche Maßnahmen umfassen. In beiden Kulturen wie auch im Gemüse wurde beobachtet, das die Schäden bei Pflanzen mit optimalen Wachstumsbedingungen geringer sind.
M. Glaser, Leiter des Pflanzenschutzdienstes Baden-Württemberg mit Dienstsitz am LTZ Augustenberg ging zum krönenden Abschluss der Veranstaltung detailliert und sehr gut verständlich auf die Biologie der Schilfglasflügelzikade und das Monitoring des Flugverlaufs 2024 ein und zeigte in Ergänzung dazu die ersten integrierten Ansätze zur Kontrolle des Problems.